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Wut ist apolitisch

  • mattmannpeter9
  • 4. Juli 2023
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 5. Juli 2023


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Peter Mattmann-Allamand zu den Unruhen in Frankreich


5000 Fahrzeuge und 1000 Gebäude sind bereits in Brand gesteckt, 250 Polizeiposten angegriffen, 700 Beamte verletzt worden. Die über das Internet vernetzten Randalierer stellen keine politischen Forderungen, wie Medienleute erstaunt konstatieren. Viele nehmen nicht einmal Bezug auf den von einem Polizisten bei einer Verkehrskontrolle erschossenen

Siebzehnjährigen. Das tragische Ereignis scheint lediglich eine Zerstörungswut getriggert zu haben, die tief gründet und komplexe Ursachen hat.

Der Begriff blinde Wut betont eine charakteristische Eigenschaft des Zornes. Das Ausmass der Wut kann in keinem Verhältnis stehen zur Ursache. Sie kann sich auch gegen viele Personen und Objekte richten, die in keinem ursächlichen Zusammenhang zu ihr stehen.

Das hat schon die mittelalterliche Psychologie (z.B. eines Thomas von Aquin) beobachtet.

Der Begehrmut (die Liebe, das Begehren) hat einen eindeutigen Adressaten. Der Zornesmut hingegen ist ein Seelenvermögen, das wir mobilisieren können, wenn etwas Begehrtes schwierig zu erreichen oder zu verteidigen ist. Der Zorn ist frei flottierende Seelenenergie, die sich auf vieles beziehen und die durch vieles in unserer Psyche getriggert werden

kann.

Kommentatoren, welche die besondere Blindheit der in Frankreich ausgebrochenen Zerstörungswut mit dem Nationalcharakter der Franzosen erklären, wandeln meiner Meinung nach auf der falschen Fährte. Dass Wut immer blinder, sprachloser, zielloser wird, hat mit der gesellschaftlichen und politischen Krise unserer globalisierten Welt zu tun. Frankreich kann bald überall sein.

Die Perspektivlosigkeit der Jugendlichen in Frankreich, die sich in Gewaltakten äussert, ist längst gängige Ideologie. Die Politik, die aus der Machtverschiebung zugunsten einer globalen Elite resultiert, gilt als alternativlos, unumkehrbar. Dass die Globalisierung nicht vom Himmel gefallen, sondern in den letzten 30 Jahren durch Demokratieabbau, die

Schaffung entsprechender Institutionen und mit kriegerischen Mitteln aktiv herbeigeführt worden ist, wird verdrängt. Es ist längst ins kollektive Unterbewusstsein abgetaucht. Die Unbewusstmachung von Macht ist nach dem Ethno-Psychoanalytiker Mario Erdheim seit jeher eines der wichtigsten Herrschaftsinstrumente.

Warum ersetzt Wut die Politik ? Wer die Verhältnisse einfach als gegeben nimmt und nicht

mehr versteht, wie sie entstanden sind, dem fehlt die Grundlage, die Verhältnisse in seinem Sinne zu verändern, d.h. politisch aktiv zu werden. Um zu verstehen, wie etwas entstanden ist, muss man ein entspanntes Verhältnis zur Vergangenheit haben. Das hat der Woke- und Cancel-Zeitgeist nicht. Er ist extrem selbstbezogen und wie die heutigen Menschen mit sich selbst beschäftigt. Er nimmt sich so wichtig, dass er sich anmasst, die Vergangenheit zu korrigieren, indem er Denkmäler vom Sockel reisst und kulturelle Zeugnisse früherer Zeiten abändert. Die mit der Selbstbezogenheit verknüpfte Intoleranz vergiftet die freie Meinungsbildung, ein unverzichtbares Element der politischen Lebensweise. Fazit: der Zeitgeist verscheucht die Politik. Wut tritt an deren Stelle. Was die Verhältnisse nicht verbessert.

Die Schwäche der Politik darf nicht dem Zeitgeist allein angelastet werden. Die Politik selbst ist mitverantwortlich dafür. Obwohl sich die durch die Globalisierungspolitik der letzen dreissig Jahre verursachte Krise immer deutlicher zuspitzt, nehmen zwar Proteste und Unruhen und deren Repression zu, doch zu einem Richtungswechsel kommt es nicht. Fast überall ist die Politik durch eine von den globalen Meinungsmachern vorangetriebene extreme Links-Rechts-Polarisierung blockiert. In der Praxis besteht ein faktisches Meinung-

monopol der Globalisierer. Deren Gegner werden ausgegrenzt und beschimpft. Ziel dieser Propaganda kann nur sein, ein Zusammengehen oder sogar ein Bündnis zwischen linken und rechten Globalisierungskritikern zu verhindern. Frankreich ist ein gutes Beispiel für diese These: Präsident Macron, der treue Diner der globalistischen Elite, ist unbeliebt und hat schon lange keine Mehrheit mehr hinter sich. Würden sich die Linken von La France insoumise, das Rassamblement National und die globalisierungskritischen Konservativen in dieser Frage verbünden, wäre Macron längst weg. Die Selbstblockade der Politik links und rechts- verstärkt die Politikverdrossenheit. Warum sich politisch engagieren, wenn sich doch nichts ändert ? Die Wut bleibt.




 
 
 

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