Spalt schafft Gewalt
- mattmannpeter9
- 17. Juli 2023
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Aug. 2023

Peter Mattmann-Allamand: Wie die Spaltung der
Gesellschaft Gewalt fördert
Polizeistatistiken berichten von einer Zunahme der Gewaltdelikte. Hilflosigkeit
kennzeichnet die öffentlichen Debatten und politischen Reaktionen darüber.
In diesem Blog möchte ich auf einen ursächlichen Faktor hinweisen, der zu
wenig Beachtung findet: Die wachsende Gewaltbereitschaft ist neben anderem Folge
des Demokratieabbaus und der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft.
Gewalt ist die Extremform einer völlig asymmetrischen, einseitigen zwischen-
menschlichen Beziehung. Wer Gewalt ausübt, sei sie ideologisch, wirtschaftlich,
strukturell, physisch oder psychisch, setzt seine eigenen Interessen ohne jegliche
Rücksicht auf jene der andern durch. Historisch war der zusammen mit der Idee
der Nation entstandene demokratische Rechtsstaat die bisher wirksamste Regulie-
rung zwischenmenschlicher Gewalt.
Es ist deshalb kein Wunder, dass mit der Zerrüttung der Nationalstaaten und ihrer Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch die Globalisierung auch die zwischenmenschli-
che Gewalt wieder zunimmt. Eine real existierende demokratische Kultur gründet auf vielseitigen Beziehungen, auf multipolarem Meinungsaustausch und wechselseitigen Interessenabwägungen.
Vor 40 Jahren, d.h. vor der Globalisierung, war nicht alles besser. Zweifellos ist die
Welt aber seither unipolarer geworden. Die Macht hat sich einseitiger zugunsten einer
kleinen global vernetzten Elite verschoben, welche die wirtchaftlich-technologischen Interessen der Global Players politisch und militärisch absichert und durchsetzt. Die
soziale Ungleichheit hat sich -wie der französische Ökonom Thomas Piketty nachweist-
weiter verschärft.
Am prägnantesten hat der US-amerikanische Aussenpolitiker Brzezinski die unipolare
Welt als strategisches Ziel der amerikanischen Aussenpolitik formuliert. Auf Deutsch ist
sein diesbezügliches Buch 1999 im Fischer Taschenbuchverlag erschienen, unter dem Titel „Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft“. Schon damals war die
angepeilte globale Vorherrschaft der USA, der amerikanischen und europäischen Global players, ihrer Verbündeten und "Vasallen" kein geheimes Konzept, sondern öffentlich verkündete politisch-militärische Strategie.
"Teile und herrsche !" war von jeher ein wichtiger Grundsatz von Machtausübung und
Herrschaft. Ohne die Spaltung der Vielen wäre die Herrschaft der Wenigen nicht möglich.
Die Machthaber müssen die unterschiedlichen Interessen der Beherrschten gegeneinander ausspielen und Bündnisse, die der Herrschaft gefährlich werden könnten, verhindern. Mit der Globalisierung hat sich die frühere Multipolarität der Spaltungen zu einer bipolaren verengt: für oder gegen die Globalisierung. Ihre Befürworter und Gewinner versus ihre Gegner und Verlierer. Dabei wird das Ja zur Globalisierung als links. fortschrittlich, weltoffen, sozial, ökologisch, sozial und demokratisch codiert, das Nein als rechtsextrem, rückständig, fremdenfreindlich, unsozial, unökologisch und undemokratisch.
Da die vorherrschende Meinung die Meinung der Herrschenden wiedergibt, folgt auf die
strategische Unipolarität die unipolare veröffentlichte Meinung. Das zerstört einen Grundpfeiler der Demokratie, die öffentliche Meinungsbildung durch den Austausch
vielfältiger, a priori gleichwertiger unterschiedlicher Meinungen. Die praktizierte asymmetrische unipolare Meinungsdiktatur ist selbst plumpe massive Gewalt, die
Gewaltbereitschaft fördert. Wer sich nicht impfen lassen will oder den "Klimaschutz"
nicht ökologisch findet oder keinen weitern Globalisierungskrieg unterstützen möchte, ist davon tagtäglich betroffen.
Die in einem Teil der Linken sich ausbreitende, durch die vorherrschende veröffentlichte Meinung geförderte Woke- oder Chancel-Kultur entspricht dieser plumpen unipolaren
Meinungsdiktatur. Sie bildet gleichsam die Speerspitze zur Spaltung der Gesellschaft
unter dem Deckmantel heerer "linker" Ziele, ist selbst Meinungsgewalt und treibt die
allgemeine Gewaltbereitschaft voran. Es ist grotesk widersprüchlich, dass Leute, die auf ihre Sensibilität und Aufmerksamkeit Ungerechtigkeiten gegenüber stolz sind und sich für Inklusion einsetzen, Andersdenkende ausschliessen und ihnen sogar das Recht auf freie Meinungsäußerung absprechen.
Die Hilflosigkeit in den Debatten über die wachsende Gewaltbereitschaft ist vor diesem
Hintergrund verständlich. Friedensappelle und wohlgemeinte Ratschläge zur Verbesserung
der Lebensbedingungen ändern nichts. Die durch die Globalisierung entstandene einseitige, unipolare Machtballung auf überstaatlicher oder globaler Ebene muss rückgängig
gemacht, die lokale multipolare Demokratie und Meinungsbildung wieder instandgesetzt
werden. Was nicht geht, ohne dass die Spaltung der Gesellschaft in "böse Rechte" und "gute Linke" endlich ein Ende hat.
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